Irakkrieg - internationale Pressestimmen

vom 1. 4. 2003

"The New York Times":

"So war es nicht gedacht. Die Regierung Bush hatte sich eine andere Art von Invasion im Irak ausgemalt, eine, die die arabische Welt mit Bildern von amerikanischen Soldaten überfluten würde, die Hungernde verpflegen und kranke Kinder medizinisch versorgen. Stattdessen sehen und hören Milliarden von Menschen in aller Welt Berichte, dass Frauen und Kinder niedergeschossen wurden, während sie in einem zivilen Bus einen amerikanischen Kontrollpunkt passierten. (...) Wenn solche Szenen Routine werden sollten, könnte der politische Krieg um den Irak verloren sein, ehe der militärische gewonnen ist."

"Frankfurter Rundschau":

"Bei ihrem Vormarsch auf Bagdad werden US-amerikanische und britische Truppen immer häufiger in Straßenkämpfe in Städten verwickelt. Bagdad wird rund um die Uhr von heftigen Explosionen erschüttert. Die Luftangriffe der vergangenen Tage zerstörten weitgehend das irakische Telekommunikationssystem, wodurch auch die Arbeit der Hilfsorganisationen weiter erschwert wurde. Derweil wurde bekannt, dass die Vereinten Nationen schon jetzt einen Notfallplan für eine mögliche Entscheidungsschlacht um Bagdad vorbereiten."

"Information" (Kopenhagen):

"Die Außenpolitik der Bush-Regierung wird zutreffend als Mischung aus Kraftmeierei, Bestechung und Zusammenarbeit mit zwielichtigen Diktatoren beschrieben. Dieser Kurs ist von tödlicher Gefahr, wie der Irak-Krieg zeigt. Bush hat die arabische Welt gegen die westliche aufgebracht und den Grund für mehr Terror und Krieg gelegt. Er zeigt absolut nicht die moralische Autorität, die von einem so mächtigen Mann gefordert ist. Er ist auch nicht in der Lage, sein gewaltiges Militär zu führen. Sein Kurs ist für den Weltfrieden viel gefährlicher als alles andere. Deshalb ist George W. Bush der gefährlichste Mann der Welt. Nicht Saddam Hussein."

"Algemeen Dagblad" (Den Haag):

"Kann der Wiederaufbau im Irak nach dem Krieg den Bruch zwischen den westlichen Bündnispartnern wieder kitten? Die Amerikaner wollen, dass sich möglichst wenige von außen um den Wiederaufbau kümmern, während die Franzosen die Vereinten Nationen 'in das Herz' des Nachkriegs-Irak setzen möchten. Der viel geplagte (britische Premierminister) Blair befindet sich erneut zwischen zwei Lagern, steht diesmal aber Europa näher. (...) Die Frage hängt in der Luft, wie wünschenswert eine amerikanische Militärregierung wäre. Blair und (der französische Präsident) Chirac treten für eine UNO-Verwaltung ein. (...)"

"Liberation" (Paris):

"Nach dem gescheiterten Versuch, das irakische Regime innerhalb weniger Tage zu stürzen, stehen die Regierenden in Washington nun vor Erfolgszwang. Sie werden um jeden Preis Saddam in seinem Bunker aufspüren müssen, der allen Bomben Stand hält, außer Atombomben. Die USA sehen sich gefangen in der Spirale eines konventionellen Krieges. Sie sahen sich als Befreier, doch jetzt werden sie die Städte, eine nach der anderen, im Kampf von Haus zu Haus einnehmen müssen, mit Millionen von Zivilisten als Geiseln und mit Tausenden von Toten."

"La Croix" (Paris):

"Der Vormarsch der anglo-amerikanischen Truppen auf die irakische Hauptstadt wurde zwar wegen eines unvorhergesehenen Widerstandes und unzureichender Logistik kurzfristig aufgehalten, doch diese Unterbrechung dürfte nicht lange andauern. Es ist zu befürchten, dass Bagdad in den nächsten Wochen regelrecht belagert wird. Man wird dann zweifellos über zwei schreckliche Alternativen entscheiden müssen: eine lang anhaltende Belagerung oder einen massiven Angriff."

"La Repubblica" (Rom):

"Könnte die lange Agonie des irakischen Regimes, ohne es zu wollen, dem Westen einen Dienst erwiesen haben? Sie hat jenen Strömungen innerhalb der amerikanischen Regierung Stimme und Autorität zurückgegeben - von Powell bis zur gemäßigten Rechten der Republikaner rund um Bush sen. - die die Anmaßung der von Rumsfeld verkörperten neokonservativen Rechten bisher ertragen, aber nicht geteilt haben."

"El Mundo" (Madrid):

"Die Hoffnung, ein rascher Sieg von Amerikanern und Briten könnte die Weltwirtschaft neu beleben, ist längst verflogen. Unter den Anlegern macht sich vielmehr ein zunehmender Pessimismus breit. Das Problem besteht nicht in den Kosten des Krieges, sondern in dem Fehlen von Vertrauen in ein System, das immer stärker unter Störungen leidet. Der Fall des Dollars, das Steigen des Ölpreises, die Instabilität der Kapitalmärkte und die internen Probleme von Wirtschaftsmächten wie Deutschland oder Japan bilden eine explosive Mischung. Wenn die Kämpfe im Irak längere Zeit anhalten, droht eine Rezension wie in den siebziger Jahren."

"The Financial Times":

"Verteidigungsminister Rumsfeld könnte das Bestreben von Teilen der US-Regierung artikulieren, Syrien und Iran in die 'Achse des Bösen' einzubeziehen. Die Falken in Washington haben deutlich gemacht, dass sie gegen diese Länder und von ihnen angeblich gestützte islamistische Bewegungen vorgehen wollen. Dies sind aber genau die Staaten, mit denen Großbritannien auf diplomatischem Wege in Kontakt steht. Deshalb müssen wir hoffen, dass US-Präsident George W. Bush mehr auf seinen Verbündeten Tony Blair als auf seinen Verteidigungsminister hört."

"The Guardian" (London):

"Mit jedem Tag wird deutlicher, dass Premierminister Tony Blair zur Geisel von Donald Rumsfeld geworden ist. Warum Blair unser Schicksal in die Hände dieses unsympathischen Mannes gelegt hat, ist und bleibt ein Rätsel. Außer Zweifel steht dagegen, dass Blair wegen seiner falschen Politik jetzt ohne Wenn und Aber fest an Rumsfeld gebunden ist. Wenn sich herausstellen sollte, dass Rumsfeld definitiv einen Fehler gemacht hat, könnte Blairs Position als britischer Premierminister - und vielleicht sogar die der gesamten Labour-Regierung - Schaden nehmen. Da dies Rumsfelds' Krieg ist und nicht der von Blair, bleibt der US-Verteidigungsminister die zentrale Figur. Er (Rumsfeld) hat seine Regierung in den Krieg manövriert. Die Schwäche Blairs hat Großbritannien gegen das Völkerrecht und die Diplomatie getrieben, unsere Allianzen zerstört und das Labour-Projekt gefährdet. Wer braucht noch Feinde, wenn er Donald Rumsfeld zum Freund hat?"

"Washington Post":

"Die militärischen Befehlshaber (der Koalition) wären gut beraten, ihre Anstrengungen fortzusetzen, zivile Verluste und Leid gering zu halten. Dieser Balanceakt wird eindeutig schwieriger. (...) Viele der feindlichen Kämpfer scheinen Mitglieder der vergleichsweise kleinen Elitetruppen Saddam Husseins zu sein (...) Eines ihrer Ziele ist, die Alliierten zum Töten von Zivilisten zu zwingen. Schließlich müssen die alliierten Kommandanten das tun, was notwendig ist, um Saddam Husseins letzte Verteidiger auszuschalten. Doch indem sie geduldig (...) vorgehen und nicht-kämpfenden Zivilisten Hilfe anbieten, können sie zeigen, dass der alliierte Einsatz einer ist, der diejenigen (Irakis) belohnt, die jetzt vorsichtig vom Rand des Schlachtfeldes zuschauen - unsicher, ob ihre Befreiung Wirklichkeit ist."

"Die Welt" (Berlin):

"Amerikas Soldaten sind furchtlos in den Krieg gezogen, und dabei hatten sie nur eine Sorge: Saddams chemische Waffen - wenn er denn welche hatte. Die hochgerüstete Hightech-Armee war und ist auf diese Gefahr bestens vorbereitet, es vergeht kaum ein Tag ohne C-Alarm. Aufwendige Protektion gegen eine Gefahr, die bislang nur die Schlagzeilen beherrscht, nicht aber das Geschehen auf dem Schlachtfeld. Saddams Waffen in diesem Krieg sind andere: Täuschung, List und Finte. So alt wie der bewaffnete Kampf selbst, so alt wie die Menschheit, und immer noch das beste Mittel gegen eine ansonsten unschlagbare Übermacht..."

"Wedomosti" (Moskau):

"Es bleibt zu hoffen, dass die Wut der US-Administration und der Medien nach dem Krieg wieder abflaut und sich die Beziehungen (USA-Russland) bis dahin nicht katastrophal verschlechtern. Aber danach könnte der Ruf eines 'Lieferanten für Saddam Hussein' Russland eher nutzen, als schaden. (...) Auch ohne die Reklame durch die USA ist klar, dass russische Panzerabwehrwaffen, moderne Artillerie und Luftabwehr mit ihrer Zielerfassung konkurrenzfähig sind. Bisher hat sich die technische Überlegenheit der amerikanischen Waffen im Irak-Krieg noch nicht gezeigt. Potenzielle Käufer könnten bei einer Kosten-Nutzen-Rechnung zu dem Schluss kommen, dass russische Rüstung günstiger ist."

(APA/dpa)

 

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Deutsch
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Veröffentlicht am
01.04.2003
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