Irakkrieg danach : Wie sich die USA die Neuregelung für den Irak vorstellt...

und wieso man als Europäer dabei skeptisch sein sollte, bzw. die Ablehnung der Araber verstehen sollte ...

Der Amerikaner Jay Garner soll die Zivilverwaltung im Irak leiten.

Früherer General als "Sheriff von Bagdad"

Die Funktion im Irak, für die sich der ehemalige US-General Jay Garner derzeit im eleganten "Hilton Beach Resort"-Hotel in Kuwait vorbereitet, wird abwechselnd als Vizekönig, Präsident, Gouverneur oder auch "Sheriff von Bagdad" bezeichnet. Der 64-jährige verheiratete Vater einer Tochter soll Iraks oberster Zivilverwalter für eine Übergangszeit werden.

Garner, der sich seine Sporen im Vietnamkrieg verdient hat, war bereits nach dem Golfkrieg im Irak eingesetzt worden. Er leitete dort die humanitäre Hilfe für die Kurden - damals unter UNO-Mandat. Heute sind seine Beziehungen zur UNO gespannter, sind seine Auftraggeber doch die "Falken" in der Bush-Administration - unter ihnen Garners Freund Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Garners Ernennung scheint ein Zeichen zu sein, dass die gemäßigten Kräfte - vor allem aus dem US-Außenministerium - ins Hintertreffen geraten sind.

In seinem neuen Job dürfte es Garner nicht leicht haben, zumal ihm viele Araber und Muslime wegen seiner Erklärungen gegen die Palästinensische Autonomiebehörde und seiner Verbindungen zum rechtsgerichteten Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA) misstrauen. Es ist überdies bekannt geworden, dass er 1998 auf Kosten einer jüdischen Lobbygruppe Israel besuchte, um dann öffentlich zu argumentieren, dass die USA ein starkes und sicheres Israel benötigen.

Dazu kommt Kritik in Medien wie dem britischen Wochenblatt Observer an einem Interessenkonflikt: Nach seinem Abschied aus der Armee 1997 wurde Garner, in Sachen Privatwirtschaft bis dahin ein unbeschriebenes Blatt, Vorstandsvorsitzender der in Virginia ansässigen Rüstungsfirma SY Technology. Danach war er Chef des mit SY Technology fusionierten Rüstungsunternehmens SY Coleman, dessen Systeme für die Präzisionssteuerung von US-Raketen beim Irakkrieg im Einsatz sind.

Im Vorjahr beschuldigte der ehemalige Oberstleutnant Biff Baker Garner, vom Pentagon Aufträge im Wert von 100 Millionen Dollar (93,2 Millionen Euro) bekommen zu haben, indem er seine guten Beziehungen spielen ließ. Garner verklagte Baker daraufhin wegen Rufschädigung, im Jänner kam es außergerichtlich zu einer gütlichen Einigung, die vertraulich behandelt wurde. Bei seiner Firma ist Garner derzeit auf Karenzurlaub.

Trotz seiner militärischen Karriere wird der Exgeneral nun als Zivilist gehandelt, obwohl er auf dem Papier US-Oberbefehlshaber Tommy Franks untergestellt ist. Seine Pläne für den Irak hat Garner bisher noch nicht bekannt gegeben, sondern nur vage erklärt, er wolle sich auf "drei Säulen" stützen: Hilfe für die Bevölkerung, Wiederaufbau des Landes und danach Aufbau einer zivilen Verwaltung und einer Regierung.

aus :

Der Standard (Kopf des Tages) vom 7.4.2003

Und der Mann, den das Pentagon als irakischen Politiker einsetzen möchte :

Ahmad Chalabi, Chef des oppositionellen Irakischen Nationalkongresses.

Umstrittener Lieblingsiraker des Pentagons

Wer am E-Mail-Tropf irgendeines US-Falken hängt, wurde zuletzt vermehrt mit Aussendungen bedacht, die nur einen Zweck haben: den Ruhm und die Ehre Ahmad Chalabis zu mehren, des Chefs des Irakischen Nationalkongresses (INC). Der 58-Jährige befindet sich seit Sonntag in Nasiriya im Südirak, was laut Los Angeles Times im US-Außenministerium als "empörend" bezeichnet wird. Denn Chalabi ist der Mann des Pentagons.

Während ihn die einen beschuldigen, den Irak bereits vor dem Krieg in Stücken verscherbelt zu haben (was dem Kriegswillen seiner US-Freunde auf die Sprünge geholfen haben soll), bemühen andere sogar Nelson Mandela: Diesen hatte man ja ebenfalls - wie Chalabi - als Oppositionellen zu diskreditieren versucht (weil er Kontakte zu Moskau hatte). Angesichts der Biografien, die unterschiedlicher nicht sein könnten, wirkt der Vergleich gewagt: Chalabi musste den Irak zwar bereits als Kind nach der Revolution 1958 verlassen, seine Familie war dem damals gestürzten haschemitischen Königtum nahe gestanden. Aber er wuchs dann als Kind reicher Eltern in Freiheit in London auf, studierte später am Massachusetts Institute of Technology und in Chicago, wo er in Mathematik promovierte.

"Chalabi" (sprich: Tschálabi), das war im osmanischen Reich, zu dem der Irak gehörte, ein Ehrentitel, später bezeichnete das Wort ganz allgemein den Stand der muslimischen Kaufleute im Irak. Die weit verzweigte schiitische Familie mit Namen Chalabi war eine der wirklich reichen im Irak, als Banker hatten sie finanziellen und politischen Einfluss. Der brillante und machtbewusste - manche sagen: arrogante - Ahmad Chalabi ging im Exil zuerst andere als politische Wege, er unterrichtete an der American University in Beirut, betätigte sich aber auch unternehmerisch: In den 80er-Jahren gründete er in Jordanien die Petra-Bank, die 1989 mit den Geldern vieler kleiner Anleger Pleite ging, wofür Chalabi wegen fahrlässiger Krida verurteilt wurde.

Laut Chalabi, verheiratet und Vater von vier Kindern, war das ein böses Komplott. Aber auch sein schlechtes Verhältnis zum State Departement hat mit seinem eigenwilligen Umgang mit Geld zu tun: Als er 2002 über 15 Millionen Dollar, die der INC als Unterstützung im Rahmen des von Bill Clinton 1998 unterschriebenen "Iraq Liberation Act" bekommen hatte, nicht ausreichend Rechenschaft geben konnte, drehte ihm Colin Powell seinen TV-Kanal "Hurriya" (Freiheit) ab. Auch die ihm anfangs gewogene CIA, die 1995 einen Umsturzversuch Chalabis aus dem Nordirak unterstützte (dem Clinton im letzten Moment seine Unterstützung entzog), zog sich zurück. Aber Chalabi fand bekanntlich neue, mächtigere Freunde, sie heißen Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz und Dick Cheney.

Der Standard / Kopf des Tages vom 10.4.2003 am Tag nach dem Einmarsch der US-Panzer in das Stadtzentrum von Bagdad.

>> hier geht es zu einer Information über die wichtigsten irakischen Oppositionsgruppen

 

 

 

 

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Veröffentlicht am
07.04.2003
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