Chronologie : Vom ersten zum zweiten Golfkrieg
und einige Anmerkungen für die Zeit davor
Rund 12 Jahre nach dem Golfkrieg zur Befreiung des besetzten Kuwait haben die USA den Irak erneut angegriffen. Nach seiner Niederlage im Frühjahr 1991 ist der Irak wegen nicht eingehaltener Auflagen der internationalen Gemeinschaft ein ständiger Krisenherd geblieben.
(Ergänzung :
August 1990: Die irakische Armee besetzt Kuweit. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) verurteilt die Invasion und fordert den "sofortigen und bedingungslosen Rückzug" der irakischen Soldaten (Resolution 660). Anschließend verhängt die UN ein Wirtschafts-, Finanz- und Militärembargo gegen den Irak. Die Vereinigten Staaten bereiten die "Operation Wüstenschild" vor und verlegen amerikanische Truppen, Panzer und Kampfflugzeuge an den Golf.
17. Januar 1991: Mit Luftangriffen gegen den Irak beginnt die "Operation Wüstensturm", in dessen Verlauf der Irak insgesamt 39 Raketen gegen Israel einsetzt und Ölfelder in Kuweit in Brand setzt.
28. Februar 1991: Nach sechs Wochen Krieg am Golf stellen die Alliierten das Feuer ein. Zuvor hat sich Bagdad verpflichtet, alle den Konflikt betreffenden UN-Resolutionen zu erfüllen )
3. April 1991: Der UN-Sicherheitsrat verpflichtet den Irak nach Kriegsende zur Zerstörung aller chemischen und biologischen Waffen und ruft mit der Resolution 687 die Waffenkontrollkommission UNSCOM ins Leben, deren Arbeit in den Folgejahren von Bagdad massiv behindert wird.
27. August 1992: Einrichtung einer Flugverbotszone über dem Süd-Irak durch die USA, Großbritannien und Frankreich zum Schutz der schiitischen Minderheit. Bereits seit 1991 werden auch die Kurden im Norden geschützt.
27. Juni 1993: US-Kriegsschiffe feuern 23 Marschflugkörper auf das Hauptquartier des irakischen Geheimdienstes. Grund: Ein angeblich vom Irak geplantes Attentat auf den ehemaligen US-Präsident George Bush in Kuwait.
Oktober 1994: Saddam Hussein lässt Soldaten Richtung Kuwait marschieren und fordert die Aufhebung aller 1990 von der UN verhängten Wirtschaftssanktionen. Unter internationalem Druck ziehen die Truppen wieder ab.
10. November 1994: Der Irak erkennt Kuwait in seinen derzeitigen Grenzen an.
September 1996: Als Vergeltung für die irakische Offensive in den Kurden-Gebieten im Nordirak beschießen amerikanische Streitkräfte irakische Luftabwehr-, Kommunikations- und Radarsysteme. Rußland und China warnen im UN-Sicherheitsrat vor den "katastrophalen Folgen" einer weiteren Eskalation
25. November 1996: Der Irak stimmt der UN-Resolution 986 "Öl gegen Nahrungsmittel" vom April 1995 zu. Zur Einfuhr dringend benötigter Lebensmittel und Medikamente darf er Erdöl exportieren.
November 1997: Der UN-Sicherheitsrat fordert den Irak zur Einhaltung der Waffenstillstandsvereinbarungen auf und verschärft die Sanktionen des Wirtschaftsembargos. Bagdad reagiert darauf mit der Ausweisung der amerikanischen Unscom-Inspekteure. Aus Protest verlassen alle übrigen Inspekteure den Irak. Nach russischer Vermittlung kehren sie zurück
23. Februar 1998: Unter dem Druck eines drohenden Militärschlags unterzeichnet der Irak in letzter Minute eine Vereinbarung mit der UN, die die Kontrolle der Präsidentenpaläste Saddams erlaubt.
31. Oktober 1998: Der Irak erklärt seine Zusammenarbeit mit der UNSCOM für beendet. Die Kontrollore verlassen vorübergehend das Land.
November 1998: Die Vereinigten Staaten und Großbritannien drohen dem Irak bei einer weiteren Verweigerung von Waffeninspektionen mit einer "umfassenden Militäroperation" und entsenden weitere Truppen an den Golf. Unter dem Eindruck des amerikanischen Militäraufmarsches verspricht Saddam Hussein in einem Brief an UN-Generalsekretär Annan, die Zusammenarbeit mit Unscom wiederaufzunehmen.
Dezember 1998: Unter Umgehung des UN-Sicherheitsrats unternehmen die Vereinigten Staaten und Großbritannien eine Militäroperation gegen den Irak. Zuvor hatte der Unscom-Vorsitzende Butler in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat der irakischen Regierung vorgeworfen, sie habe "die versprochene volle Kooperation nicht erfüllt".
16. Dezember 1998: Nach dem endgültigen Abzug der UN-Inspektoren wegen neuer Behinderungen beginnen die USA und Großbritannien die Operation "Wüstenfuchs". Vier Tage werden militärische Ziele im Irak bombardiert.
17. Dezember 1999: Die Waffenkontrollkommission UNMOVIC wird als UNSCOM-Nachfolgerin ins Leben gerufen.
Februar 2001: Auf einer Nahost-Reise erklärt der amerikanische Außenminister Powell, die Lage im Irak habe für die neue amerikanische Regierung unter den Problemen des Nahen Ostens Vorrang vor dem arabisch-israelischen Konflikt
August 2001: Amerikanische und britische Flugzeuge beschießen mehrfach militärische Zeile und Luftabwehrstellungen im Norden und Süden Iraks. Der irakische Staatspräsident Saddam Hussein warnt die Vereinigten Staaten vor weiteren Flügen ihrer Kampfflugzeuge über dem Irak und besteht auf dem Recht seines Landes, sein Luftverteidigungssystem zu verbessern.
11. September 2001: Terroranschläge islamischer Extremisten fordern in New York, Washington und Pennsylvania insgesamt mehr als 3000 Menschenleben. Bald wird über eine mögliche Terror-Verstrickung des Irak spekuliert.
Mit unverhohlener Freude reagiert die irakische Regierung auf die Terroranschläge von New York und Washington: der "amerikanische Cowboy" ernte nun die "Früchte seiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Nach den Terroranschlägen in New York und Washington sichert Bundeskanzler Schröder dem amerikanischen Präsidenten Bush die "uneingeschränkte Solidarität" Deutschlands zu.
Dezember 2001: UN-Generalsekretär Annan warnt vor einer Ausweitung des Kriegs gegen den Terrorismus auf den Irak, fordert aber auch die Wiederzulassung internationaler Waffeninspekteure in das Land.
29. Jänner 2002: US-Präsident George W. Bush zählt in seinem ersten Bericht zur Lage der Nation neben dem Iran und Nordkorea den Irak zur "Achse des Bösen".
Juli 2002: Der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bekräftigt die Haltung der Regierung in Washington, ein Angriff auf den Irak oder andere Staaten, die Massenvernichtungswaffen entwickelten, sei ein gerechtfertigter Akt präventiver Selbstverteidigung.
1. September 2002: Die Außenminister der Europäischen Union distanzieren sich von amerikanischen Plänen für einen Präventivkrieg zum Sturz Saddam Husseins und verständigten sich auf Grundzüge einer gemeinsamen Politik gegenüber dem Irak, die der Diplomatie den Vorzug geben soll vor militärischer Gewalt. Der amerikanische Außenminister Powell schließt sich ihrem Vorschlag an, den Irak zur Rückkehr von UN-Waffeninspekteuren zu zwingen
12. September 2002: Vor den UN fordert G.W. Bush die "...sofortige und bedingungslose" Zerstörung des irakischen Arsenals an Massenvernichtungswaffen und kündigt notfalls einen Alleingang der USA an.
11. Oktober 2002: Der US-Kongress bevollmächtigt Bush zu einem Schlag gegen den Irak. International ist eine Militäraktion umstritten.
8. November 2002: Nach zweimonatigem diplomatischen Ringen verabschiedet der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1441, in der dem Irak "ernsthafte Konsequenzen" für den Fall angedroht werden, daß er sich einer Offenlegung der Waffenarsenale widersetzt.
27. November 2002: Die Inspektoren beginnen erstmals seit 1998 mit der Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak. UN-Generalsekretär Annan teilt mit, die Inspektionen hätten "ziemlich gut begonnen
7. Dezember 2002: Bagdad legt fristgerecht einen 12.000 Seiten starken Waffenbericht vor, den Washington und London als unzulänglich kritisieren.
24. Dezember 2002: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erteilt den ersten Marschbefehl für 25.000 Soldaten in die Golfregion. Bis Mitte März sind fast 300.000 britische und amerikanische Soldaten am Golf.
30. Dezember 2002: Bei der Untersuchung einer irakischen Waffenfabrik kam es zu einem ersten Zwischenfall. Der Fabrikdirektor nannte die Inspekteure eine "Bande", die "überfallartig und provokant" auftrete. Für einen Berater Saddam Husseins ist die Befragung der irakischen Wissenschaftler im Ausland juristisch problematisch, da man ihnen durch Geschenke Falschinformationen entlocken könnte.
31. Dezember 2002: UN-Generalsekretär Annan sagt in einem Interview, daß die Inspekteure derzeit ungehindert ihre Arbeit machen können und der Irak mit ihnen kooperiere.
27. Jänner 2003: Die UN-Chefwaffeninstpektoren werfen dem Irak in ihrem Bericht für den Weltsicherheitsrat Versäumnisse vor, fordern aber mehr Zeit für weitere Inspektionen.
24. Februar 2003: Die USA legen gemeinsam mit Großbritannien und Spanien dem Weltsicherheitsrat eine vor allem von Frankreich, Russland, China und Deutschland abgelehnte und später zurückgezogene Resolution vor, die einen Krieg legitimieren soll.
17. März 2003 : Die Vereinten Nationen beschließen den Abzug ihrer Inspektoren aus dem Irak.
Bush und Blair verzichten auf eine zweite Resolution, die den Verstoß des Irak gegen die Resolution 1441 feststellen sollte. Bush stellt Saddam kurz darauf ein Ultimatum bis zum 19. März: freiwilliges Exil oder Krieg. Saddam lehnt ab.
20. März 2003: Gegen 03.30 Uhr (MEZ) beginnen amerikanische Luftangriffe auf Bagdad. Ziel ist die Beseitigung des irakischen Regimes und die Entwaffnung des Landes. Der Irak reagiert einige Stunden später mit vereinzelten Raketenangriffen auf Kuwait.
dazu ergänzt: 9. April 2003 : am Spätnachmittag rückten die US-Panzer - fast ohne auf Widerstand zu stoßen bis in das Stadtzentrum von Bagdad vor. Die große Saddam Statue im Zentrum wurde gestürzt - dieses Bild wurde zum Symbol und zierte die Titelseiten fast aller Tageszeitungen am Tag danach.
(APA/dpa)
Der Standard 20.3.2003 und der Heranziehung anderer Quellen, wie der FAZ
zum H i n t e r g r u n d :
Irak - Eine Chronik der verspielten Chancen
Achtzigjährige Geschichte von Kriegen und politischer Gewalt geprägt
Die Konfrontation mit den USA ist für die schwer geprüfte irakische Bevölkerung der dritte Krieg in zwei Jahrzehnten. Das irakische Volk blickt auf eine tragische Geschichte zurück - eine Chronik der verspielten Chancen. Der Irak hätte zu einem arabischen Musterland werden können, ist es doch reich an Erdöl und Wasser. Doch seine innere Zerissenheit, die Macht- und Verteilungskämpfe und eine Abfolge despotischer Regierungen prägten das Land seit seiner Gründung vor acht Jahrzehnten. Präsident Saddam Hussein hat wie kein anderer Machthaber vor ihm die Kultur der politischen Gewalt perfektioniert.
Reichtum als Verhängnis :
Paradoxerweise wurde dem Irak sein Reichtum zum Verhängnis. Die Öl-Schätze sorgten dafür, dass Saddam Hussein die nötigen Mittel für seine Überfälle auf den Iran (1980-88) und Kuwait (1990) hatte und seine Herrschaft im Innern mit einem schlagkräftigen Unterdrückungsapparat absichern konnte. Die Vielfalt an Völkern und Religionen führte dazu, dass das Land nie zu innerer Stabilität finden konnte. Regiert wurde es traditionell von sunnitischen Arabern. Die Kurden im Norden treten dagegen seit jeher für einen eigenen Staat ein, und auch die benachteiligte schiitisch-arabische Bevölkerungsmehrheit im Süden strebt von der Zentralregierung weg. Saddam Hussein und sein Machtapparat waren zuletzt die einzigen Klammern, die die widerstrebenden Kräfte zusammenhielten.
Gründung als historischer Zufall :
Die Gründung dieses Staates nach dem Ersten Weltkrieg und der Zerstückelung des Osmanischen Reiches war ein historischer Zufall. Ohne Rücksicht auf Ethnien und Konfessionen schnitt sich Großbritannien ein Gebiet mit schnurgeraden Grenzen aus der Erbmasse des untergegangenen Großreichs heraus, gab dem am Reißbrett entstandenen Kunststaat den Namen Irak und setzte den arabischen Prinzen Faisal aus der Haschemitendynastie in Mekka als König ein.
Faisal I. erkannte früh, dass das Staatskonstrukt ein Hort der Instabilität war. Der Irak sei "eine unvorstellbare Masse an Menschen, bar jeder patriotischen Gesinnung, verwurzelt in religiösen Traditionen und Aberglauben, mit einer fatalen Neigung zur Anarchie", klagte der Monarch. Von Beginn an wurde das Land von Unruhen erschüttert. Der verhängnisvolle Kreislauf von Aufständen und blutiger Niederschlagung setzte sich bis in die Gegenwart fort, als Saddam Hussein nachweislich Giftgas gegen die aufbegehrenden Kurden einsetzte.
Ende der pro-westlichen Monarchie 1958 :
Die pro-westliche Monarchie endete 1958 in einem Blutbad, als linksgerichtete Offiziere die Macht an sich rissen und beinahe alle Mitglieder des Königshauses und der Regierung ermordeten. Die Hoffnungen auf soziale Gerechtigkeit und Mitbestimmung wurden enttäuscht. Es entwickelte sich kein verbindliches System, wie Macht demokratisch erworben, ausgeübt und weitergegeben wird. Die neuen Herrscher verschlissen sich schnell in erbarmungslosen Machtkämpfen. Die säkulare und panarabische sozialistische Baath-Partei installierte nach ihrer Machtergreifung 1968 ein Herrschaftssystem, das subtile Geheimdienstmethoden zur Kontrolle der Bevölkerung ebenso einsetzte wie nackte Gewalt zur Vernichtung der Opposition.
Aufstieg Husseins :
In dieser Atmosphäre plante Saddam Hussein zielstrebig seinen Aufstieg in den Rängen der Partei, bis er 1979 schließlich nach dem Präsidentenamt griff. Mit kaltem Machtkalkül ließ er dann wenige Tage nach Amtsantritt mehrere hundert Partei-"Freunde" und Armeeoffiziere hinrichten. Der Weg zur absoluten Macht war frei: Seitdem er sich aller potenziellen Rivalen entledigt hatte, stand Saddam Hussein unangefochten an der Spitze von Staat, Partei und Armee.(APA u.a.)
In :