Drogenanbau : Opium bedroht Afghanistans Wiederaufbau
Das Ausmass der diesjährigen Opiumernte in Afghanistan liegt in der Nähe jener Rekordwerte, die Ende der neunziger Jahre verzeichnet wurden. Das Büro für Drogen und Kriminalität der Uno hat deswegen Alarm geschlagen.
dazu :
auch im Jemen kat verschwendet fossile Wasserreserven aus Die Presse 5 ...
Das Ausmass der diesjährigen Opiumernte in Afghanistan liegt in der Nähe jener Rekordwerte, die Ende der neunziger Jahre verzeichnet wurden. Das Büro für Drogen und Kriminalität der Uno hat deswegen Alarm geschlagen.
dazu :
auch im Jemen kat verschwendet fossile Wasserreserven aus Die Presse 5.2.2011
Das Ausmass der diesjährigen Opiumernte in Afghanistan liegt in der Nähe jener Rekordwerte, die Ende der neunziger Jahre verzeichnet wurden. Das Büro für Drogen und Kriminalität der Uno hat deswegen Alarm geschlagen.
An der internationalen Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg hat Präsident Karzai Anfang Dezember erneut auf die Gefahr hingewiesen, die vom Drogengeschäft in Afghanistan ausgeht. Kaum im Amt, hatte Karzai im Januar 2002 den Anbau von Schlafmohn, die Gewinnung von Opium, den Handel und den Konsum der Droge mit einem Bann belegt. Ein grosser Teil der Aussaat war in den Monaten zuvor allerdings bereits ausgebracht worden. Das Machtvakuum nach dem Zusammenbruch des Taliban-Regimes hatte das Risiko für die Bauern vermindert, während relativ hohe Opiumpreise entsprechende Einkommen versprachen. Dass manche Mohnbauern zunächst dennoch zögerten, drückte sich darin aus, dass manche Felder in Missachtung des Verbots aus Kabul erst in den ersten Monaten dieses Jahres bestellt wurden.
Horrend hohe Einnahmen
Die Erhebungen des Büros für Drogen und Kriminalität der Vereinten Nationen (ODC) - früher unter dem Namen Drogenkontrollprogramm bekannt - bestätigten im Verlauf des Jahres die schlimmsten Befürchtungen, die Schätzungen vom Frühjahr mussten nach oben korrigiert werden. Zwischen 69 000 und 79 000 Hektaren waren mit Schlafmohn bepflanzt worden; das Büro geht von einem Mittelwert von 74 000 Hektaren aus. Daraus gewonnen wurden rund 3400 Tonnen Opium. Der grösste Teil der Schlafmohnplantagen befand sich in fünf Provinzen, nämlich in den südlichen paschtunischen Provinzen Helmand, Kandahar und Uruzgan, in Badakhshan, der einstigen Hochburg der Nord-Allianz im Nordosten, sowie in Nangarhar. Nach der Rekordernte von 1999 hatten die Taliban ein Opiumverbot erlassen und dieses auch brutal durchgesetzt: Die Anbaufläche hatte sich bis 2001 auf einen Zehntel reduziert und sich vorwiegend im Gebiet der Nord-Allianz konzentriert, der Ertrag war von 4300 auf 185 Tonnen gesunken. Mit der diesjährigen Ernte hat Afghanistan seinen fragwürdigen Ruf erneuert, Opiumproduzent Nummer eins zu sein.
Die Drogenwirtschaft generiert in Afghanistan in diesem Jahr ein Einkommen von rund 1,2 Milliarden Dollar; diese Summe kommt jenen 1,3 Milliarden Dollar recht nahe, die dem Land bisher an internationalen Geldern ausbezahlt worden sind. Für den Ökonomen Antonio Maria Costa, den ehemaligen Generalsekretär der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und seit Mai Chef des ODC, kann eine Wirtschaft, die auf illegalen Aktivitäten gründet, langfristig nicht von Dauer sein. Und wenn diese Aktivitäten zu derart hohen Einkommen führen, so erklärt er in einem Gespräch am Sitz des ODC in Wien, dann könne sich dies für einen Staat nur destabilisierend auswirken. Mit dem Mohnanbau setze man sich in den fünf Anbauprovinzen über das Verbot Karzais hinweg und fordere Kabul damit heraus, sagt Costa; noch problematischer werde die Lage dadurch, dass das Einkommen aus den Drogen den Provinzgouverneuren und Warlords eine enorme Stärke gebe.
Drogen gingen mit Kriminalität und Terrorismus Hand in Hand, hebt der ODC-Direktor hervor; dies zeige sich in Zusammenhang mit einer anderen Droge, dem Kokain, am deutlichsten in Kolumbien. Im September, als die neue Aussaat bevorstand, hat Karzai das Verbot des Mohnanbaus deshalb mit allem Nachdruck wiederholt. Informationen über die neue Aussaat liegen laut Costa noch nicht vor. Die ODC-Mitarbeiter in Afghanistan hätten aber festgestellt, dass unter den Bauern eine gewisse Unsicherheit herrsche, darüber zum Beispiel, ob und wie Kabul das Verbot durchsetzen könnte, darüber auch, ob die neue Regierung an der Macht bleiben werde. War den Bauern im letzten Frühling für die Vernichtung der Felder eine finanzielle Entschädigung ausgerichtet worden, droht diesmal die Zerstörung der Plantage ohne Kompensation.
Dem Problem auf den Grund gehen
Das Uno-Büro will zur Bekämpfung der Drogenproduktion in zwei Bereichen ansetzen: zum einen im Aufbau und in der Stärkung der afghanischen Behörden, damit dem Gesetz Nachachtung verschafft werden kann, sowie der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, damit die Schmuggelwege abgeschnitten werden können, zum anderen - und nicht minder wichtig - in der Schaffung von Alternativen für die Mohnbauern. Unter anderem hilft Grossbritannien in Afghanistan bereits beim Aufbau von Drogenkontrollbehörden, Deutschland obliegt die Ausbildung der Polizei, und Italien engagiert sich in der Stärkung des Justizsystems. Von Besprühungs- und Vernichtungsfeldzügen, wie sie mit der Hilfe der USA gegen die Kokapflanze in Lateinamerika geführt werden, hält Costa zumindest auf Afghanistan bezogen und zum jetzigen Zeitpunkt nichts. Man könne damit eine Ernte vernichten, nicht aber die Wiederanpflanzung in der nächsten Saison verhindern. Ferner führe diese Methode zu sozialer Unrast, was beim Wiederaufbau und bei der Befriedung des Landes ungelegen käme.
In einer Studie über die einzelnen Elemente und die Mechanismen der afghanischen Drogenwirtschaft, die im Januar publiziert wird, will das ODC die Opiumproduktion zunächst gründlicher durchleuchten. Näher betrachtet, so fasst Costa die umfangreiche Arbeit vereinfachend zusammen, werden etwa die Motivation der Bauern, Schlafmohn anzupflanzen, die Rolle der Geldverleiher auf den Basars, der Einsatz der Frauen und Kinder, die auf den Mohnfeldern arbeiten, die Arbeitsweise der Opiumkäufer. Für jede einzelne dieser Stufe seien Lösungsansätze zu entwickeln: Alternativen und Infrastruktur für die Bauern und Bewässerungssysteme für das Land, ein legales System der Mikrofinanzierung, damit sich die Bauern von der Abhängigkeit von den Geldverleihern lösen können, Programme im Sozialbereich und in der Bildung, um Frauen und Kinder von den Feldern zu holen, und so weiter. Als Ökonom weiss Costa, dass Alternativkulturen nicht genügen und dieser Strang der ganzen Problematik wie auch manch andere Aspekte des Drogengeschäfts von Afghanistan ins Ausland führen: Es braucht funktionierende Strukturen, Exportmöglichkeiten für Alternativprodukte, offene Märkte in anderen Ländern und vor allem Käufer.
In Zusammenhang mit möglichen Alternativprodukten verursacht gegenwärtig der hohe Opiumpreis dem ODC einiges Kopfzerbrechen. Während man in Burma, dem zweitgrössten Opiumproduzenten, 150 Dollar pro Kilo zahlt, liegt der Kilopreis in Afghanistan bei 350 bis 400 Dollar. Für Costa gibt es dafür keine plausible Erklärung. Die Nachfrage ist nicht gestiegen, das aus Opium gewonnene Heroin hat in westlichen Ländern im Gegenteil zunehmend Konkurrenz durch synthetische Drogen bekommen. Die Ernte war gross, die Lager sind aufgefüllt, der Stoff ist keine Mangelware, und besonders riskant und damit preistreibend war dessen Produktion dieses Jahr auch nicht. Der ODC-Direktor vermutet, dass lokale Machthaber mit hohen Steuern auf der Droge den grösstmöglichen Profit aus dem Geschäft herausholen, bevor die Zähne von Recht und Ordnung zu greifen beginnen. Das Problem ist, dass bei derart hohen Preisen kein alternatives Landwirtschaftsprodukt den Schlafmohn auch nur annähernd ausstechen kann.
Wenn der Preis nicht sinke, erklärt Costa, so müsse auf diesen Anreiz mit einem drastisch höheren Risiko in der Drogenherstellung geantwortet werden. Er gelangt damit zum anderen Ansatzpunkt in der Bekämpfung des Mohnanbaus, der Durchsetzung des Gesetzes, der Erstarkung der Behörden und dem dezidierten Durchgreifen im Falle von Zuwiderhandlungen. Optimistisch glaubt Costa, dass die Opiumproduktion in Afghanistan bereits im nächsten Jahr um ein paar Prozentpunkte zurückgehen werde. Die Türkei und Vietnam hätten seinerzeit 14 Jahre gebraucht, um des Opiumproblems Herr zu werden, in Thailand ging es etwa 30 Jahre. Mit demokratischen Methoden - nicht mit dem Regime des Terrors der Taliban - werde der afghanische Staat mehrere Jahre brauchen, um die Gefahren des Drogengeschäfts zu bannen.
Dem Mohn das fruchtbarste Land
NW Afghanistan hat sich in den neunziger Jahren vor Burma und Laos als das Land etabliert, in dem das meiste Opium produziert wird. Fand früher die Verarbeitung zu Morphin und Heroin in den Nachbarländern statt, wird das Opium heute zunehmend in Afghanistan raffiniert; im Vergleich zu der an Arbeit und Chemikalien intensiven Herstellung von Kokain aus Kokablättern ist die Verarbeitung des Milchsaftes aus der Mohnkapsel zu Heroin mit weit weniger Aufwand verbunden. Seit einigen Jahren gelangen die Drogen weniger über die Balkanroute nach Westeuropa, da ein Land auf diesem Weg, Iran, mit radikalen Methoden gegen Drogenschmuggler vorzugehen begann. Der Weg führte danach eher über die Nachbarländer im Norden Afghanistans, Russland und Osteuropa.
Auf Grund der unsicheren Lage im Land war es den zehn in Afghanistan tätigen Mitarbeitern des ODC in diesem Jahr nicht möglich, überall Erhebungen durchzuführen. Die letzten Ermittlungen basieren deshalb vorwiegend auf Satellitenbildern, deren Daten mit Stichproben am Boden überprüft wurden. Persönlich besucht wurden 923 Dörfer in 16 Provinzen. Die Satellitenbilder gaben Aufschluss über Mohnplantagen in 24 von 32 Provinzen. Etwa 90 Prozent der Felder konzentrierten sich auf Helmand (rund 30 000 ha), Nangarhar (20 000 ha), Badakhshan (8000 ha), Uruzgan (5000 ha) und Kandahar (4000 ha).
Der durchschnittliche Opiumertrag pro Hektare belief sich diesmal auf 46 Kilo, fast doppelt so viel wie in den Jahren zuvor. Dies wird darauf zurückgeführt, dass einerseits die jahrelange Dürreperiode ein Ende fand und dem Mohn anderseits - vor allem im Süden - das fruchtbarste Land in bewässerten Gebieten zur Verfügung gestellt wurde. Der Einbruch nach dem Verbot der Taliban liess die Preise rasant steigen, von etwa 30 Dollar pro Kilo Ende 2000 bis 700 Dollar. Unmittelbar nach den Attentaten vom 11. September 2001 fiel der Preis auf etwa 100 Dollar, weil die Händler ihre Lagerbestände auf den Markt brachten. Nachdem er zeitweise wieder die 500-Dollar-Marke erreicht hatte, pendelt der Preis nun um die 400 Dollar.
aus NZZ vom 14.12.2002