Unterrichtsmaterialien für die sozioökonomische Bildung

Das Projektnetzwerk INSERT ist eine Initiative der Fachgruppe Geographische und Sozioökonomische Bildung (GESÖB) der Österreichischen Geographischen Gesellschaft (ÖGG).

Im schule.at Interview sprechen der Projektleiter Christian Fridrich und die Projektmitarbeiterin Sandra Stieger über die sozioökonomische Bildung, die auf allen Ebenen von Lernprozessen und Kompetenzdimensionen abzielt und warum diese in der Schule gebraucht wird. Weiters wird das Projektnetzwerk INSERT vorgestellt und was dieses Projekt so besonders macht.


Christian Fridrich ist Professor für die Fachdidaktik der Geographischen und Sozioökonomischen Bildung an der Pädagogischen Hochschule Wien und lehrt an den Universitäten Graz und Wien. Er ist Mitherausgeber von wissenschaftlichen Reihen (bei Springer, ÖAW-Verlag und LIT) und von Schulbuchreihen. Zudem ist er Vorsitzender der GESÖB, der Fachgruppe Geographische und Sozioökonomische Bildung der Österreichischen Geographischen Gesellschaft.


Sandra Stieger ist derzeit als Fachdidaktikerin und Lektorin an der Universität Salzburg mit dem Arbeitsschwerpunkt wirtschaftliche Bildung tätig. Sie hat bislang als Lehrerin für GW und Italienisch an Gymnasien gearbeitet.


Seit einiger Zeit taucht der Begriff INSERT in Zeitschriften und Websites im Zusammenhang mit dem Unterrichtsfach „Geographie und Wirtschaftskunde“ in Österreich auf. Was kann man sich darunter vorstellen?

INSERT ist ein internationales Projektnetzwerk, das von Fachdidaktiker*innen im Bereich der sozioökonomischen Bildung getragen wird. Diese arbeiten sehr eng mit GW-Lehrer*innen zusammen. INSERT ist ein Akronym und bedeutet „International Research Network for Socio-Economic Education and Reflection”. Der Begriff „insert” kann jedoch auch – und das ist von den Projektmitarbeiter*innen durchaus gewünscht – als „einbringen” verstanden werden. Die sozioökonomische Bildung soll verstärkt in den fachdidaktischen Diskurs und in die Unterrichtspraxis eingebracht und auf diese Weise gestärkt werden.

Was wird unter sozioökonomischer Bildung verstanden und inwiefern unterscheidet sich diese von wirtschaftlicher Bildung?

Wirtschaftliche Bildung ist ein Überbegriff für viele Varianten von ökonomischen Bildungsmaßnahmen. Im Extremfall kann unter wirtschaftlicher Bildung auch verstanden werden, Lernende zu einer bloßen Reproduktion von Wirtschaftswissen zu drillen. Damit werden höherwertige Lernprozesse wie Verstehen, Anwenden, Analysieren, Bewerten, Gestalten etc. sowie methodische, soziale und metakognitive Kompetenzen außer Acht gelassen. Sozioökonomische Bildung zielt auf alle Ebenen von Lernprozessen und Kompetenzdimensionen ab. Vertieft verfolgt sozioökonomische Bildung im Fach „Geographie und Wirtschaftskunde“ die Umsetzung der Prinzipien Schüler*innen- und Lebensweltorientierung, Individualisierung, Kompetenz- und Handlungsorientierung, Aktualitäts- und Zukunftsbezug, kritische Zugänge, inhaltliche Mehrperspektivität und Pluralismus sowie Wissenschaftsorientierung.

Warum besteht Notwendigkeit für dieses Projektnetzwerk, wenn doch sozioökonomische Bildung bereits im Unterrichtsfach Geographie und Wirtschaftskunde verankert ist?

Bei einer Analyse der bislang vorliegenden Unterrichtsbeispiele sehen wir, dass diese wesentlich häufiger an die Sekundarstufe II adressiert sind. Im Projekt INSERT wird auf die konsequente Umsetzung der Ziele und Prinzipien der sozioökonomischen Bildung für die Schüler*innen der Sekundarstufe I fokussiert. Wir erarbeiten Unterrichtsbeispiele und Materialien für diese Altersgruppe.

Welche Institutionen und Personengruppen sind an diesem Projekt beteiligt?

Das Projekt ist eine Initiative von Mitgliedern der GESÖB (Fachgruppe geographische und sozioökonomische Bildung) der Österreichischen Geographischen Gesellschaft (ÖGG) und wird vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sowie von der Arbeiterkammer Wien gefördert. Seit Projektbeginn im Jahr 2017 hat sich die im Projekt arbeitende Personenanzahl stetig erhöht. Das Projektteam besteht aus acht Wissenschaftler*innen und Fachdidaktiker *innen aus Österreich (PH Wien, Universität Wien, PH Linz, Universität Graz, PH Tirol, Universität Salzburg und Universität Klagenfurt) und Deutschland (Universität Frankfurt), die gemeinsam mit 14 Praktiker*innen aus der Schule eng zusammenarbeiten. Das Layout der Lern-Lehr-Arrangements hat das Österreichische Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum in Wien in Absprache mit dem Projektteam gestaltet. Die Projektwebsite, auf der alle fertigen Lern-Lehr-Arrangements zur freien Verfügung stehen, wird von der EduGroup mitbetreut.

Wie verläuft der Entstehungsprozess eines solchen Lehr-und Lernmaterials von der Themenauswahl zur Veröffentlichung auf der Website?

Die Themen sind dem gültigen Lehrplan der Sekundarstufe I abgeleitet und bilden die ökonomisch geprägten Lebenswelten in den Bereichen Haushalt, Konsum, Geld, Arbeitswelt und Gesellschaft ab. Insgesamt entwickeln wir für alle Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I 52 Lern-Lehr-Arrangements. Dementsprechend breit ist die angebotene Themenvielfalt. Unsere Praktiker*innen wählen ausgehend von der eigenen Expertise Themen aus und entwickeln gemeinsam mit einem/einer Fachdidaktiker*in des Projektteams jeweils ein innovatives Lern-Lehr-Arrangement. Dieses wird in der Schulpraxis getestet und auf Grund der gewonnenen Erfahrungen erneut überarbeitet und um Adaptionsvorschläge erweitert. Die fertigen Lern-Lehr-Arrangement werden vor der Veröffentlichung nochmals von zwei Mitgliedern des Projektteams geprüft. Jedes einzelne Lern-Lehr-Arrangement läuft demnach durch einen mehrfachen Feedbackprozess, bis es in der endgültigen Fassung auf der Website verfügbar ist.

Welchen zusätzlichen Mehrwert haben diese neuen Unterrichtsentwürfe im Gegensatz zu den Aufbereitungen in Schulbüchern?

Das Projektnetzwerk INSERT kann wesentlich rascher auf aktuelle Themen reagieren, wobei die Themenvielfalt größer als in Schulbüchern ist. Die Unterrichtsbeispiele und Materialien („Lehr-Lern-Arrangements“) sind in der Regel modular aufgebaut und können je nach Bedarf länger oder kürzer sein. Zusätzlich zu den zur Verfügung gestellten Materialien werden eine konkrete methodische Orientierung und innovative methodische Umsetzungsoptionen für Lehrer*innen angeboten. Schließlich ist die Kooperation zwischen Fachdidaktiker*innen und Schulpraktiker*innen bei Diskussion, Erarbeitung und Erprobung der Beispiele eine Novität, wodurch es zu einem regen Austausch dieser Personengruppen kommt.


Die 52 Lern-Lehr-Arrangements für die Sekundarstufe werden auf der Projekthomepage frei zur Verfügung gestellt.