Tankerunglücke - Teil 2

und was dagegen zu tun wäre ...

1.

Billigflaggen und lasche Kontrollen

An völkerrechtlichen Vorschriften, die Tankerunglücke verhindern sollen, mangelt es kaum. Umweltverbände fordern erweiterte Staatshaftung

"Es gibt genügend Vorschriften und Regeln, der Mangel liegt bei ihrer Durchsetzung", erläutert Rainer Lagoni, Direktor des Instituts für Seerecht und Seehandelsrecht an der Universität Hamburg dem STANDARD. Der Völkerrechtler sieht ein Hauptproblem bei der Überalterung der Tankerflotte und beim Verhalten der Auftraggeber: "Marode Schiffe versuchen, nicht in solche Häfen einzulaufen, in denen ordentlich kontrolliert wird."

Über die Sicherheit im Verkehr auf den Weltmeeren wacht die International Maritime Organization (IMO) in London. Das internationale Übereinkommen, das vor Ölkatastrophen schützen soll - die Konvention zur Verhütung von Verunreinigungen durch Schiffe ("Marpol") -, galt auch für die "Prestige". Denn die Bahamas, unter deren Billigflagge der Tanker fuhr, sind ein Marpol-Vertragsstaat.

Ein-Hüllen-Tanker

Nach dieser Konvention müssten Tankschiffe mit nur einer Hülle, die wie die "Prestige" im Jahr 1976 gebaut wurden, bis 2005 aus dem Verkehr gezogen werden. Ein völliges Verbot für Ein-Hüllen-Tanker in der EU wird erst 2015 voll greifen. Doch Seerechtler Lagoni macht darauf aufmerksam, dass es nicht nur auf solche Fristen ankommt: "Doppelhüllen allein helfen nicht. Es kommt auch darauf an, dass die Schiffe in einem guten Zustand sind." Hierzu seien strenge Kontrollen nötig, die laut Lagoni zumindest in den europäischen Häfen einigermaßen gesichert sind.

Doch nach dem "Erika"-Tankerunglück von 1999 hat sich die EU zu schärferen Regeln gezwungen gesehen. Der- zeit gehen Kontrolleure in den Häfen der EU-Staaten an Bord von jährlich 10.000 bis 12.000 Schiffen. Eine echte verschär- fte Kontrolle findet aber laut Angaben der EU-Kommission nur bei 700 Schiffen statt. Ab Mitte nächsten Jahres, wenn das "Erika"-Gesetzgebungspaket in Kraft tritt, sollen es bis zu 4000 sein. Schiffe, die mehrfach wegen ihres schlechten Zustands auffallen und unter Billigflagge fahren, können dann verbannt werden. Sie dürften keine Häfen in der EU mehr anlaufen.

Die Rolle der Hafenstaaten ist bei der Seesicherheit entscheidend: Auch sie haben über die Rechtsanwendung zu wachen. Zwar ist in erster Linie der Flaggenstaat eines Schiffs für die Umsetzung von Konventionen wie Marpol verantwortlich. Doch zum einen sind nicht alle Flaggenstaaten Mitglieder der Übereinkommen, und zum anderen sind viele von ihnen technisch und ökonomisch gar nicht in der Lage, die nötigen Kontrollen durchzuführen. Ganz abgesehen von den Staaten, denen - entgegen den Vorschriften der UN-Seerechtskonvention - überhaupt die "echte Beziehung" zu den Schiffen fehlt, an die sie ihre Billigflaggen verleihen.

Umweltorganisationen wie Greenpeace fordern daher, die wirtschaftliche Haftung für Ölkatastrophen auf die Flaggenstaaten auszuweiten. Die Umweltschützer meinen, dass sich die betroffenen Länder so eher zwingen ließen, die existierenden Sicherheitsstandards auch tatsächlich durchzusetzen.

Zudem ist die Haftung bisher nicht allumfassend. Wenn es zu einem Unfall kommt, gibt es nach geltendem Recht nur Ersatz für materielle Schäden. Für reine Umweltschäden fließt kein Geld: "10.000 tote Möwen werden also nicht ersetzt, nur die Kosten für die Reinigung von Möwen", illustriert der Völkerrechtler Lagoni.

Sicheres Fahrwasser

Bis sich die Seefahrernationen auf ein strengeres Seerecht einigen, bleibt den Küstenstaaten nur die Chance, sich selbst zu schützen. Die UN-Seerechtskonvention erlaubt es ihnen grundsätzlich, Schiffen aus Sicherheitsgründen die Benutzung bestimmter Schifffahrtswege und Verkehrstrennungsgebiete vorzuschreiben. Dies gilt insbesondere für Tankschiffe. Doch freie Hand hat der Küstenstaat nicht, denn er muss sich nicht nur mit der IMO abstimmen, sondern auch alle üblicherweise für die internationale Schifffahrt genutzten Fahrwasser berücksichtigen.

(Jörg Wojahn aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 27.11.2002

2.

STUDIE : Havarie-Risiko gleich hoch bei "Billig"- und "Luxus"-Tankern

 

Öl-Tanker unter "Billigflagge" bergen einer Studie zufolge heutzutage nur noch ein leicht höheres Havarie-Risiko im Vergleich zu Tankern unter "Normalflagge". Ökonomen der deutschen Privatuniversität Witten/Herdecke haben die Frage nach "Umweltrisiken unter der Billigflagge?" anhand von Unfällen in den Jahren 1963 bis 1996 untersucht.

Zwei bis drei von 1.000 sinken

In diesen 33 Jahren sei die "Sinkwahrscheinlichkeit" bei Tankern, die unter so genannter Billigflagge fahren, stark zurückgegangen: In den 70er Jahren lag sie demnach weltweit noch bei 0,8 bis 0,9 Prozent. "Bis etwa 1990 hat sich die Sinkwahrscheinlichkeit von Billigflaggen-Tankern auf 0,25 bis 0,3 Prozent eingependelt", sagte Autor Frank Tolsdorf der dpa. Das heißt, früher sanken der Wahrscheinlichkeit nach von 1.000 Billigflaggen-Tankern etwa acht bis neun, heute sind es noch zwei bis drei. Das Havarie-Risiko der unter so genannter Normalflagge fahrenden Tanker lag von Anfang an konstant bei etwa 0,2 Prozent (zwei von 1.000).

Insgesamt havarierten im untersuchten Zeitraum 589 Tanker, davon 321 unter Billigflagge. Als Billigflaggenländer nennt die Studie Liberia, Panama, Bahamas, Griechenland, Zypern, Malta und Singapur.

Anstieg des Rohölpreises bringt mehr Sicherheit für den Transport

"Der drastische Anstieg des Rohölpreises Ende der 70er Jahre hat möglicherweise zu einer Verbesserung der Sicherheitsstandards auf den Tankern unter Billigflagge geführt", sagte Mitautor Dirk Losen. Dazu zählten die Zahl der Seeleute, ihre Erfahrung im Team und technische Standards. Die Ölfirmen hätten offenbar um ihre kostbarer gewordene Fracht gebangt und daher die Sicherheit erhöht, sagte Losen.

Die Zahl der weltweit registrierten Tanker sei von 4.984 (1963) auf 6.878 (1996) gestiegen, sagte Tolsdorf. Die Zahl der "Billigflaggen" habe von 685 auf 2.346 zugenommen und im Durchschnitt rund 34 Prozent ausgemacht. Die höchsten Unglückszahlen seien 1975 und 1979 mit jeweils 31 gesunkenen Tankern registriert worden. 1964 seien es nur fünf gewesen. In den 90er Jahren sei der Jahresdurchschnitt bei elf gelegen, mit abnehmender Tendenz.


(APA/dpa 21.11.2002 - aus Der Standard)

3.

Skandinavien will Ostsee zur Schutzzone erklären

KOPENHAGEN. Um zu verhindern, daß eine Ölkatastrophe wie vor der galizischen Küste auch in der Ostsee passiert, wollen skandinavische Politiker das gesamte Binnenmeer zum "besonders empfindlichen Seegebiet" erklären lassen. Damit könnten die Anrainerstaaten umweltgefährlichen Transporten spezielle Fahrtrouten zuweisen, die Navigation durch besonders ausgebildete Lotsen erzwingen und technisch maroden Tankern die Passage verwehren.

In Schweden forderte das Parlament die sozialdemokratische Umweltministerin Lena Sommestad auf, bei der Internationalen Seefahrtsorganisation IMO die Klassifizierung der schwedischen Gewässer als "Particularly Sensitive Sea Area" (PSSA) zu beantragen. In Finnland ergriff die Konservative Sari Sarkomaa eine entsprechende Initiative. Ziel ist es, durch nationale Schritte gefährliche Transporte mit alten Schiffen aus der Ostsee zu verhindern: Zum Umgehen der Schutzzonen müßten Reeder derart teure Umwege machen, daß es billiger käme, mit Doppelhüllen-Tankern zu fahren.

Zwar prüft auch die Helsinki-Kommission für den Schutz der Ostsee (Helcom) derzeit verschärfte Sicherheitsbestimmungen. Doch nach dem Bersten der "Prestige" prescht nun Schweden vor, um zu verhindern, daß Rußland in der Helcom aus Rücksicht auf die Interessen der Ölindustrie effektive Schutzmaßnahmen bremsen könnte. Die EU erörtert dieser Tage in Kopenhagen ein rascheres Verbot von Ein-Hüllen-Tankern - laut IMO müssen sie erst 2015 abgewrackt sein.

"Die Frage ist nicht ob, sondern wann in der Ostsee ein großes Unglück passiert", warnt Dänemark. Jetzt schon schiffen Tausende Öltanker jährlich rund 80 Millionen Tonnen durch die Ostsee, Tendenz stark steigend.

Der Grund: Rußland verlegt zunehmend seine Ölexporte aus dem Kaukasus und dem Schwarzen Meer in die näher am Weltumschlagplatz Rotterdam gelegenen Ostseehäfen. Zwar lassen die russischen Behörden offiziell nur Doppelhüllentanker zu, "doch die Kontrollen sind völlig unzureichend", weiß Anita Mäkinen von WWF-Finnland.

Qu.: Die Presse

vom 02.12.2002

MEHR :

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Veröffentlicht am
26.11.2002
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