Ölkatastrophen : Langer Weg für Europas Öko-Kreuzritter
Tanker-Unfälle: Die USA haben ihre Lehren aus den Umweltkatastrophen längst gezogen - nun drückt auch die EU aufs Tempo.
Tanker-Unfälle:
Die USA haben ihre Lehren aus den Umweltkatastrophen längst gezogen - nun drückt auch die EU aufs Tempo.
Sie hatte alles Böse auf sich vereint: Mit den Farben der Bahamas auf den Weltmeeren unterwegs, im Eigentum eines liberianischen Unternehmers stehend, mit bescheidenen technischen Sicherheitsstandards ausgestattet und vom Büro einer skandalumwitterten griechischen Reederei betrieben. Die Geschichte des vergangenen Dienstag vor der spanischen Küste gesunkenen Öltankers "Prestige" lieferte ohne Zweifel den Stoff, aus dem Tragödien geschrieben werden.
Den letzten Schliff bekommt die "Story" durch den Umstand, daß die in der internationalen Schiffahrt nicht gerade unbekannte griechischen Reederei des Familienclans Kolouthros mit Ölkatastrophen bereits ihre Erfahrung gesammelt hat. Besagter Reederei gehörte die "Aegan Sea", die 1992 vor der spanischen Nordküste havarierte - ebenso wie die "Aegan Captain", die Ende der Siebziger Jahr vor Tobago mit einem anderen Tanker kollidierte und die vierfache Ölmenge ins Meer beförderte, die derzeit auf die Küsten von Spanien, Portugal und Frankreich zusteuert.
Die Schmutzfinken
Kein Wunder, daß sich eine breite Öffentlichkeit in ihrer Meinung bestätigt sieht: Die großen Schmutzfinken der Weltmeere sind jene Tanker, die mit den Bannern ominöser Inselstaaten beflaggt sind, um mit möglichst bescheidener technischer Ausstattung Erdöl so günstig wie möglich über die Ozeane zu transportieren. Zudem sorgt ein ausgefuchstes, intransparentes Kunden-Lieferanten-Geflecht dafür, daß im "Fall des Falles" die Spuren zu den Auftraggebern möglichst umfassend verwischt werden. Keiner weiß wirklich genau, wer letztendlich von den günstigen Öllieferung profitieren soll.
Auch Wochen nach der Katastrophe herrscht Rätselraten. Bekannt ist nur, daß die Ladung der "Prestige" aus Sibirien stammt und von einem lettischen Ölhafen nach Singapur transportiert werden sollte. Gechartert war das Schiff von einer Ölhandelsfirma namens "Crown Resources" mit Sitz im Schweizer Kanton Zug.
Im Zentrum steht allerdings längst nicht mehr die katastrophale Ölpest vor der spanischen Küste. Vielmehr dreht sich alles um die Frage, wie sicher denn "unsere" Küsten noch sind bzw. ob der Öltransport fest in Händen rücksichtsloser Kapitalisten ist. Längst sind auch die Politiker auf die Barrikaden gestiegen, um eindringliche Appelle an sich selbst zu richten, die ökologischen Zeitbomben doch endlich zu entschärfen.
Wie (un-)sicher sind nun also die großen Tanker? Spätestens seit der Havarie der "Prestige" wird die Sicherheitsdebatte von einem Begriff dominiert: "Doppelwandbehälter". Dahinter verbirgt sich eine Schiffskonstruktion, die aus zwei Hüllen besteht. Eineinhalb bis zwei Meter hinter der Außenhülle befindet sich eine zweite Stahlwand, die die Ladung vor dem Auslaufen hindern soll. Der Zwischenraum ist mit Wasser gefüllt und soll so als Dämpfer fungieren.
Eine Konstruktion, die auf der "Prestige" nicht zu finden war. Allerdings befindet sich das mittlerweile auf dem Meeresgrund schlummernde Schiff in guter Gesellschaft. Von den weltweit knapp über 7300 betriebenen Tankern sind nur rund 2200 mit einer zweiten Haut versehen. Erst ab 2015 sollten sämtliche auf den Weltmeeren fahrenden einwandige Tanker verschwunden sein. Darauf haben sich die Frächter unter politischem Druck geeinigt.
Europa - recht sorglos im Vergleich zu den USA
Das ist eine Frist, die zumindest in Europa nach der jüngsten Katastrophe kaum zu halten sein wird. Überraschend ist dabei, daß bislang ausgerechnet Europa das Sicherheitsthema recht großzügig gehandhabt hat. Schließlich tun sich die Staaten des Alten Kontinents nicht selten als Öko-Oberlehrer hervor. Offenbar zu unrecht, wie die Katastrophe der "Prestige" zeigt. So haben gerade die in Umweltfragen häufig gescholtenen USA längst reagiert. Nach dem Fiasko der "Exxon Valdez" wurden doppelte Schiffsrümpfe in den US-Gewässern Pflicht.
Die Realität scheint den Amerikanern recht zu geben. Seit dem Unfall der "Exxon Valdez" ist in den Vereinigten Staaten keine Ölkatastrophe mehr registriert worden. Insbesondere in den USA wird die Rolle der Tanker als wichtigstes Öl-Transportmittel drastisch ansteigen. In gut zehn Jahren dürften die bestehenden eigenen Quellen nach Schätzungen der Ölkonzerne versiegen. Und nachdem die reichlichen Vorräte in Alaska aus Umweltschutzgründen nicht angezapft werden dürfen, bleibt den USA nur der Import aus Südamerika und vor allem der Golfregion.
Allerdings gilt es in der Ölbranche nicht als sicher, daß mit doppelten Wänden das Thema Sicherheit gelöst ist. "Der Schutz funktioniert nur bei geringen Geschwindigkeiten. Etwa in Häfen. Kollidieren zwei Tanker auf offenem Meer sind auch doppelte Wände nutzlos", meint Robert Wine von BP Amoco zur "Presse". Seiner Ansicht nach kommt es auf das Gesamt-Konzept an, allem voran auf die Qualität der Mannschaft.
Auch für die Germanische Lloyd, die Transportschiffe hinsichtlich ihrer Sicherheitsstandards unter die Lupe nimmt, ist zwischen "Gut" und "Böse" nicht wirklich scharf zu trennen. Die Technik allein sei nicht entscheidend, vielmehr gründeten die Umwelt-Tragödien vor den Küsten meist in menschlichem Versagen.
Zudem verweisen die Experten darauf, daß auch die Flagge nicht das Ausschlaggebende sei. Ein deutscher Tanker sei noch lange nicht sicherer als ein griechischer, so Wine. Die Frage, unter welchen Farben ein Schiff in See sticht, ist insbesondere eine steuerliche. So sind die Steuern, die Transporteure für ihre Schiffe in der Karibik zu entrichten haben, niedriger als etwa in Europa.
Ungeachtet dessen wurde in Europa mittlerweile eine "Schwarze Liste" veröffentlicht, die 66 Schiffe mit drastischen Sicherheitsmängeln ausweist. Von den betroffenen Schwerlast-Transportern fahren 26 unter türkischer Flagge, zwölf kommen aus der Karibikinsel St. Vincent und neun von Kambodscha.
"Schrott-Schüsseln" auf den Weltmeeren unterwegs
Doch nicht einmal diese "Schrott-Schüsseln" sind derzeit aus den europäischen Gewässern fernzuhalten. So verabschiedete die EU-Kommission gegen Ende des Vorjahres ein neues Reglement über die Sicherheit des Seeverkehrs. Aber noch sind diese Vorschriften nicht überall in der EU nationales Recht, womit derzeit nicht einmal diese 66 als gefährlich eingestuften Tanker aus den europäischen Gewässern zu verbannen sind.
Die spanische Verkehrskommissarin drückt nun aufs Tempo. Die Staats- und Regierungschefs sollen schon am kommenden Wochenende davon überzeugt werden, daß die Gangart gegenüber den Frächtern verschärft werden muß. Schon ab 2003 - so der Plan - soll das schwer abbaubare Schweröl nur mehr in doppelwandigen Tankern transportiert werden dürfen.
Löst Europa tatsächlich in kurzer Zeit das Sicherheitsproblem bei den Tankern, werden dennoch ölverschmutzte Küstenabschnitte Realität bleiben. "Die unsicheren Tanker werden dann halt nicht mehr Europa, sondern verstärkt asiatische Staaten ansteuern", meint Ehsan Ul-Haq vom Wiener Büro des Energiehändlers PVM International.
Schließlich bleibt das Thema Sicherheit letztendlich eine Kostenfrage. "Der Transport von 80.000 Tonne Rohöl von Europa nach Asien kostet rund 1,5 Millionen Dollar. Tanker mit niedrigen Sicherheitsstandards sind um 80.000 Dollar günstiger zu haben", so Ul-Haq.
Setzt sich die EU-Kommission bei den Mitgliedsstaaten durch, hieße das nicht nur mehr Sicherheit für die Küsten und Meere. Es hieße natürlich auch, daß die Verbraucher mehr für die Rohöl-Produkte zu bezahlen haben werden. Spätestens dann wird sich zeigen, ob sich die gezeigte Besorgnis der Konsumenten als Öko-Heuchelei entpuppt oder nicht.
Qu.: Die Presse vom
05.12.2002
EU verlangt Doppelwand-Tanker
Neue Vorschriften für Schweröl-Transporte
Schweröl und andere gefährliche Güter dürfen auf europäischen Gewässern ab sofort nur noch in Tankern mit Doppelwand transportiert werden. Darauf verständigten sich die EU-Verkehrsminister am Freitag ohne Gegenstimmen. Die EU reagierte damit auf die Ölpest vor der galizischen Küste.
ap) Der dänische Ratsvorsitzende und Wirtschaftsminister Bendt Bendtsen erklärte: «Wir werden gefährliche Schiffe in unseren Gewässern nicht mehr dulden.» EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio kündigte an, die Brüsseler Behörde werde schon in der nächsten Woche einen Vorschlag vorlegen, wie mit einwandigen Tankern generell zu verfahren sei. Nach ihren Vorstellungen sollten diese Schiffe bis 2010 endgültig von den Weltmeeren verschwunden sein. Zudem sollten Schiffe nur maximal 23 Jahre im Einsatz sein. Bislang soll dies nach einem EU-Beschluss erst bis 2015 der Fall sein. Einen neuen Beschluss in dieser Frage streben die EU-Staaten nun bis 1. Juli 2003 an.
Zudem will die EU im Rahmen der Internationalen Meeres-Organisation (IMO) einen Fonds für Opfer einer Ölpest einführen, der mit einer Milliarde Euro dotiert sein soll. Schliesslich verständigten sich die Minister darauf, dass Personen, die durch ein grob fahrlässiges Verhalten eine Umweltkatastrophe zu verantworten hätten, mit Sanktionen rechnen müssten.
Quelle.: NZZ vom 6.12.2002