Überalterung und Budget

Artikel über Aussagen des bevölkerungswissenschafters R. Münz. Im Kurier v. 23.9.04

Die Überalterung der Bevölkerung in den Industrieländern wird nicht nur zur Wachstums- und Wohlstandsbremse, sondern droht auch, die öffentlichen Budgets aus dem Ruder zu bringen. Diese Szenarien zeichnen Studien des Münchner ifo-Instituts und des Internationalen Währungsfonds.

"Bei solchen Modellrechnungen wird die gegenwärtige Beschäftigungsstruktur mit der zukünftigen Altersstruktur verknüpft. Wenn sich die Beschäftigung nicht nachhaltig verschiebt, kommen wir in diese Situation, das ist ziemlich klar", meint dazu Rainer Münz, Bevölkerungsexperte am Hamburgischen Weltwirtschaftsarchiv. Das gelte grundsätzlich auch für Österreich.

Wobei die negativen Effekte in Österreich nicht so gravierend seien wie in Deutschland, schränkt der Demograf ein: "Die Arbeitsmarktsituation in Österreich ist nicht so düster wie in Deutschland und die Staatsverschuldung ist kleiner. Die Richtung ist dieselbe, aber in Österreich auf niedrigerem Niveau".

Weil die Lebenserwartung steigt und die Kinderzahlen pro Frau sinken, wächst in Europa nicht nur die Zahl der Älteren, auch die Zahl der Jüngeren geht zurück, erklärt Münz. Am stärksten betroffen davon sind Südeuropa, das Baltikum, Polen, Slowenien, Ungarn und Tschechien. Knapp gefolgt von Deutschland und Österreich. Mögliche Auswege seien "bekannt, aber nicht sonderlich populär. Denn auch ein alterndes System kann im Gleichgewicht gehalten werden, bis die Überalterung vorbei ist".

Als erste Möglichkeit nennt Münz "länger arbeiten". Das setze allerdings "einen funktionierenden Arbeitsmarkt für ältere Menschen voraus, den es derzeit in Österreich und vielen europäischen Ländern nicht gibt".

Verbreiterung der Beitragsgrundlage, sprich mehr Menschen in den Arbeitsprozess zu integrieren. Unterstützend wirke die prognostizierte Entlastung des Arbeitsmarktes, um etwa die Frauenbeschäftigung zu erhöhen.

Zuwanderung von Arbeitskräften, mit "Qualifikationen, die uns in Österreich fehlen". Ohne Zuwanderung gehe Österreich ein Potenzial an Leuten verloren, "die etwas auf die Beine stellen können", argumentiert Münz in Richtung der Übergangsregeln für Arbeitskräfte aus den neuen EU-Mitgliedern. 2003 resultierten fast 90 Prozent des Bevölkerungswachstums in der EU bei einem Geburtenüberschnuss von 200.000 aus Zuwanderung.

Ausbildung: Münz schlägt "nicht für Österreich allein, sondern für die gesamte EU" vor, in Entwicklungs- oder Schwellenländern in Ausbildungseinrichtungen zu investieren und die dort Geschulten am europäischen Arbeitsmarkt aufzunehmen. In Frage kämen vor allem technische Berufe sowie Gesundheits- und Plegejobs.

Eines sei jedenfalls sicher, betont Münz: "Familienpolitik alleine kann sinkende Bevölkerungszahlen nicht ausgleichen".

aus : Kurier vom 23.9.2004

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Deutsch
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Veröffentlicht am
22.09.2004
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