Fremdenrecht in Österreich

dazu der Univ.-Prof. F. Matscher war Richter am EGMR, Rechtschutzbeauftragter des Innenministeriums

STELLEN SIE DIE ARGUMENTE IN EINEM SCHAUBILD ZUSAMMEN (ev. in Form einer Mindmap)

gehen sie auf die Seite des Innenministeriums und sehen sie dort die konkreten Bestimmungen durch !

Vergleichen sie dazu ferner Einwanderungsbestimmungen in die USA, nach Canada, Australien... Sehehn sie dazu auf den Homepages der jeweiligen Botschaften nach !

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Wieder wird – aus Anlass kritisierbarer Einzelfälle – das Fremdenrecht und sein Vollzug „durch den Kakao gezogen“, erneut eine liberalere Einwanderungspolitik gefordert. Dabei wird auf das Beispiel einzelner europäischer Staaten verwiesen, die großzügiger seien. Es bleibt aber unerwähnt, dass andere Staaten viel restriktiver vorgehen als Österreich :

1. Ein verbreitetes Missverständnis liegt darin, zwischen dem völkerrechtlich Gebotenen und dem, was humanitär wünschenswert wäre, nicht zu unterscheiden. Allerdings kann und soll ein wohlhabender Rechtsstaat, der sich als sozial bezeichnet, über das völkerrechtlich Gebotene hinausgehen.


Das Fremdenrechtspaket 2005 war nach langwierigen Verhandlungen von einer breiten Mehrheit im Parlament angenommen worden. Es war eine beachtliche legislatorische Leistung, ist aber nicht aus einem Guss geformt. Es ist nur für Experten überschaubar, lässt Fragen offen, der Vollzug ist alles eher als leicht. Trotz Beschleunigungsbestrebungen führt es zu Überlängen in Asylverfahren, was an sich schon rechtsstaatlich problematisch ist. Härten in Einzelfällen sind nicht ausgeschlossen.

2. Meines Erachtens entspricht die geltende Regelung grundsätzlich dennoch der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Möglichkeit der Schubhaft als Vorstufe einer Abschiebung beizubehalten erscheint mir unverzichtbar, um das geltende Recht durchzusetzen.


Das Grundübel liegt in den überlangen Verfahren. Dazu tragen aber auch die Asylwerber – durch Nichtbeachtung ihrer Mitwirkungspflicht, teils auch durch bewusste Verzögerungen – nicht unwesentlich bei, vor allem dann, wenn sie sich geringe Chancen ausrechnen und gegen eine abschlägige Erledigung Rechtsmittel einlegen. Es ist nicht kohärent, gegen eine selbstverschuldete oder gar bewusst herbeigeführte Verzögerung zu polemisieren. Insofern war auch die durch ein VfGH-Erkenntnis geforderte Erweiterung der zulässigen Neuerungen kontraproduktiv, ist doch das Neuerungsverbot eine segensreiche Einrichtung des Rechtsmittelverfahrens. Überhaupt scheint die Regelung des Instanzenzugs weit über das rechtsstaatlich Gebotene hinauszugehen. Die Einführung von Landesverwaltungsgerichten und eines Asylgerichtshofs würde zur Abkürzung des Instanzenwegs positiv wirken.

3.

In der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gibt es drei Ansätze, die eine Abschiebung oder Ausweisung konventionswidrig machen können:

 

 

•Gefahr der Folter. Die Gefahr, dass der Betroffene im Bestimmungsland politischer Verfolgung, unmenschlicher Behandlung oder Folter ausgesetzt wäre, steht einer Abschiebung entgegen. Hier geht die Straßburger Rechtsprechung über die Genfer Flüchtlingskonvention insofern hinaus, als sie selbst dann, wenn der Verbleib die öffentliche Ordnung des Gastlandes gefährdet (wegen krimineller oder politischer Aktivitäten), eine Ausweisung, Abschiebung oder Auslieferung verbietet. In den Urteilen findet sich zwar der stereotype Satz, die Gefahr im Bestimmungsland müsse reell und seriös sein. Der EGMR ist aber zu einer vertieften Prüfung nicht in der Lage. Fehlen offizielle Dokumente, vertraut er auf vielfach problematische Stellungnahmen von NGOs oder auf private Auskünfte. Hier könnte die geplante Staatendokumentation des Innenministeriums hilfreich sein.

 

 

•Schutz des Familienlebens. Ausweisungen und Abschiebungen stellen Eingriffe ins Familienleben nach Art. 8 EMRK dar. Ein solcher Eingriff ist ausnahmsweise und nur nach einer Abwägung mit den Ordnungsinteressen des Aufenthaltsstaats zulässig, wobei sich die Waage fast stets zum Recht auf Familienleben neigt. Zu Recht wird zwischen Einwanderern oder Flüchtlingen erster und zweiter Generation unterschieden, die Länge des Aufenthalts und der Grad der Integration sowie die Art der noch vorhandenen sozialen Einbindung im Heimatland berücksichtigt. Weniger einleuchtend ist es, dass über langjährige kriminelle Aktivitäten (und nicht reine Verwaltungsübertretung) und Verurteilung im Gastland großzügig hinweggegangen wird. Auch das Argument, der Betreffende hätte sich zuletzt nichts zuschulden kommen lassen, sodass er ein Wohlverhalten erwarten lasse, erscheint naiv, wenn es relativ knapp nach der letzten Haft gebracht wird. Auch die Frage, ob ein Familienleben überhaupt besteht, wird nur oberflächlich geprüft.

 

 

•Schutz des Privatlebens. Den gleichen Schutz wie das Familienleben genießt das Privatleben. Die Anlassfälle betrafen durchwegs die besondere Situation der nach 1945 in die Baltenstaaten transferierten oder gezogenen damals sowjetischen Staatsbürger. Die Betroffenen leben seit Jahrzehnten im Aufenthaltsstaat, wo sie voll integriert sind. Der Aufenthaltsstaat muss – auch hier nach einer Interessenabwägung – die Weiterführung des Privatlebens gewährleisten. Im Ergebnis wird damit ein gewisses „Bleiberecht“ und ein Recht auf Legalisierung eines auch illegalen Aufenthalts anerkannt.

4.

Österreichs Fremdenrecht gestattet eine konventionskonforme Auslegung und Anwendung. In Einzelfällen wird es aber weiterhin Konfrontationen mit Straßburg geben, weil der EGMR „liberaler“ ist als die österreichische Konzeption. Bisher gab es grosso modo in drei Fällen Kontroversen: Im Fall Ahmed (Urteil vom 17. 12. 1996) hat der EGMR den seriösen und reellen Charakter der Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bei einer Ausweisung nach Somalia bejaht, während Österreich diese Gefahr geringer eingestuft hatte. Im Fall Maslov (22. 3. 2007) hat der EGMR den schwerwiegenden Charakter der vom Beschwerdeführer begangenen zahlreichen Delikte, wie gewerbsmäßiger Bandendiebstähle, Erpressung, Körperverletzung, im Hinblick auf das jugendliche Alter und die Tatsache, dass er seit der letzten Entlassung aus der Strafhaft bis zur Schubhaft nicht straffällig geworden war, als geringer eingestuft, die Wohlverhaltensprognose günstiger beurteilt als Österreich. Mit vier zu drei Stimmen sah er in der Ausweisung eine Verletzung des Art. 8. Ähnlich lag der Fall Jakupovic (6. 5. 2003). Diese Beispiele zeigen, dass die Konventionsverletzungen nicht im Fremdenrecht, sondern in der unterschiedlichen Beurteilung durch den EGMR und Österreichs Behörden lagen.

5.

Besteht das Bedürfnis zur Einführung eines „Bleiberechts“, wie es der EGMR anvisiert hat? Es muss daran erinnert werden, dass die Anlassfälle vor allem die besondere Situation der voll integrierten Russen in den Baltenstaaten betroffen haben. Hier ist die Annahme eines Bleiberechts als Ausfluss des Gebots der Achtung des Privat- und Familienlebens gerechtfertigt. Ein „Bleiberecht“ in Österreich betrifft eine andere Situation. Einwanderungs- und Asylverfahren, die drei Jahre und länger dauern, kommen allerdings in die Nähe des Bleiberechts.


Eine Reparatur des Fremdenrechts im Sinne einer Vereinfachung und Beschleunigung ist geboten. Damit würde sich die Diskussion über ein Bleiberecht und über die Notlösung einer generellen Sanierung von Altfällen erübrigen. Grundsätze des Fremdenrechts müssen dazu nicht angetastet werden.

ANMERKUNG :


Das Fremdengesetz 1997 wurde mit dem Fremdenrechtspaket, das mit 1. Jänner 2006 in Kraft trat, vom Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 und dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgelöst.

Das Fremdenpolizeigesetz regelt etwa, was für eine rechtmäßige Einreise nach Österreich notwendig ist. Von der Erteilung von Visa bis hin zur Pass- und Sichtvermerkspflicht. Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz regelt die Vergabe von Aufenthaltstiteln für alle, die länger als sechs Monate in Österreich bleiben wollen, aber auch die Dokumentation von bereits bestehenden Aufenthalts- und Niederlassungsrechten. Im Ausländerbeschäftigungsgesetz werden die verschiedenen Arten der behördlichen Bewilligungen und Bestätigungen normiert, die Ausländern eine legale Beschäftigung in Österreich ermöglichen.

Im Asylrecht sind neben der Genfer Flüchtlingskonvention das Asylgesetz 2005 maßgeblich, das die Voraussetzungen für Zu- und Aberkennung des Asylberechtigtenstatus regelt.

Das Grundversorgungsgesetz 2005 normiert darüber hinaus etwa die Versorgung von Asylwerbern und Fremden in Bundesbetreuungseinrichtungen.

 

 

Die Presse 22.5.2007

 

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Veröffentlicht am
22.05.2007
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